Stillers Dachboden
  Kinder
 
Er war Flüchtlingskind, sie Säuferkind, ich Findelkind; so waren wir alle Kinder von irgendwem und ich nun ihrs.

Kinder wurden groß -auch ich irgendwann ein bisschen-, aber in der Gegend wuchsen die anderen besser, denn ich aß schlecht und konnte und wollte auch nicht anders.

Wir liebten uns heimlich unheimlich, auch wenn wir alle anders aussahen; er war Flüchtlingskind, sie Säuferkind ich Findelkind.

Und dann wurde es Zeit, doch ich ging schlecht, hing fest und es ging schlecht; ich verpasste ständig Bahnen und Busse, wobe ich nicht einmal einen Ort anzufahren wusste.

Sie liebten mich dennoch und ich weiter wie üblich; er war Flüchtlingskind, sie Säuferkind, ich Findelkind.

Irgendwann lernte ich einen Stift zu halten; zum Rasieren war keine Zeit, das Sonnenlicht gewöhnte ich meinen Augen ab, bis die Pupillen immer größer wurden und das Haar ließ ich hängen, wie es wollte.

Etwas später ging ich dann doch, war blass hatte Augenränder und lernte den Hunger kennen; wohin es gehen sollte, wusste ich noch immer nicht, war aber Tage unterwegs und Nächte auf.

Und man könnte denken, ich hätte sie vergessen, doch ich hatte nur vergessen, mich ihnen manchmal zu zeigen; er war Flüchtlingskind, sie Säuferkind, ich Findelkind.

Sie fürchteten, dass ich nicht essen oder schlafen, nicht ruhen und es mir schön machen könnte; was ich allerdings nicht konnte, war mir ihre Sorgen anzuhören und zu wissen, was "schön" eigentlich sein sollte.

Mal hielt ich die Frauen für schön, fuhr meine Kilometer endlich für etwas - nämlich für sie -, aber langweilte mich schnell, wenn sie mich nicht enttäuschten, was mich sehr enttäuschte -und schön war das nicht.

Mal hielt ich die Kunst für schön, aber viel mehr als einen Stift zu halten konnte ich nicht und was ich schrieb, war meist seltsam seelenlos; so wollten mir nicht viele folgen, was mich enttäuschte -und schön war das nicht.

Sie nun hielten die Ruhe für schön, denn wenn ihnen nichts Schlechtes passierte, musste das schließlich gut sein und damit hatten sie ihre Ruhe -nur ich nicht, was mich enttäuschte -und schön war das nicht.

Was sollten sie auch anders denken? Er war Flüchtlingskind, sie Säuferkind und ich war ihr Kind; deshlab konnte ich sogar glücklich statt nur ruhig sein -wusste nur einfach noch nicht wie.
 
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